Gespräch mit Kirstin Zeyer

 

Kirstin Zeyer ( www.kirstin-zeyer.de ) habe ich folgendermaßen über den Text "Wissen und Ähnliches" folgendermaßen informiert:

 

Ich erlaube mir, auf meinen Text "Wissen und Ähnliches" hinzuweisen. Darin geht es nur um eine einzige Fiktion, die beim Wissen, bei Begriffen, Sprache usw. ständig implizit vorausgesetzt wird. So frage höflich an, ob diese auch so gesehen werden kann. Außerdem frage ich, ob die Methode, die ich dagegen ansatzweise vorschlage, versuchsweise zumindest denkbar oder sogar nachvollziehbar ist. Bei dieser Methode geht es nicht um Begriffsklärungen, sondern darum, über das Vorher und Nachher der Wörter gemeinsam nachzudenken. Das Anwenden der Methode führt zu einer Denkweise, bei der ein Streit mit Wörtern, Sätzen und Satzmengen unwahrscheinlich wird, oder mit der die Stellen herausgefunden werden können, bei denen die Wege sich trennen.

Nach der Antwort von Kirstin Zeyer hier nun das weitere Gespräch:

 

(meine Antwort auf die allgemein im Brief vorhandene Frage, was ich denn unter Wissen verstehe:)

 

Immer wenn ich das Wort Wissen benutze, so in einem ungenauen Sinne. Und wenn, dann auf Papier, wie Popper, oder auch in der Luft, wenn es gesprochen wird, auch wenn das ein Gelächter hervorrufen kann. Oder ich denke es als Fiktion, so wie Vaihinger, oder in den Köpfen. Und ich nutzte das Wort nicht krampfhaft. Es ist nie so sicher, ob man eher ein Wissen hat, etwas Begriffliches, eine Geschichte, eine Satzbedeutung, eine Ahnung, usw. Das alles kann nicht in ein Wort gezwängt werden. Deswegen "Wissen und Ähnliches", und der erste Absatz dort.

 

Vielleicht haben Sie schon erkannt, daß ich nicht so gerne dort ansetze, wo andere sich geäußert haben. Auch wenn ich interessiert bin an Äußerungen von anderen. Ich sage das nur, damit Sie nicht innerlich schelten, wenn ich die Ausführungen anderer nicht so voll mitkriege. Andererseits kann ich immer noch umschalten auf "normal denken", nicht nur auf meine Weise.

 

Also jetzt zu Rorty, den ich selbst nie gelesen habe:

 

"Wissen können wir als eine Relation zu Propositionen denken, Rechtfertigung demnach als eine Relation zwischen den in Frage stehenden Propositionen und anderen Propositionen, aus denen die ersteren gefolgert werden. Alternativ kann man sich sowohl Wissen als auch Rechtfertigung als eine priviligierte Relation zu den jeweiligen Gegenständen vorstellen, von denen diese Propositionen handeln." (Rorty 1987:178) ......

 

Sehr anstrengend für mich. Das "wir" sehe ich jetzt als eine Person P, die denkt, und zumindest an dem Thema ist, und jetzt gewollt oder ungewollt mit Metaphern denkt, nur mit Metaphern, in diesem Fall mit Relationen (Bindfäden zwischen den Propositionen), von denen nicht gesagt wird, wo sie sind, was mich sehr stört. Kämen wir da nicht weiter mit Kants separater Behandlung von analytischem und synthetischen Urteil? Das eine Urteil entspäche eher einem Wissen, das andere nicht, oder es wären zwei Arten Wissen. ...

Was bedeutet "priviligiert"? Obwohl "Rechtfertigung" nur zusätzlich hervortritt, trägt es nicht zur Vereinfachung des Definierten bei. Gerne würde ich Beispiele hören. Insgesamt sehe ich im zitierten Absatz keine Klarheit. Der scheinbar wissenschaftliche Zugang zu einer Sache (dem Wissen) bleibt schleierhaft. Nicht weniger als ein eventueller poetischer Vortrag hätte sein können.

 

..... besteht nach Rorty darin, daß die Frage nach einem letzten Fundament und nach letzter Gewißheit hier irrelevant sei, da sie sich in der Regel bereits im 'Gespräch' erschöpfe. Rortys Vorschlag lautet: "Wir können das Erkennen als die soziale Rechtfertigung von Meinungen verstehen, wir brauchen es daher nicht als die Genauigkeit von Darstellungen aufzufassen. Setzen wir Kommunikation, das Gespräch zwischen Personen, für Konfrontation, das Gegenüberstellen von Personen- und Sachverhalten, so können wir uns des Spiegels der Natur entledigen." (Rorty 1987:191) >

 

Wenn ich die Fortsetzung lese, frage ich mich, warum nicht die Mathematik z.B. als rein formelle Wissensmenge zumindest als Beispiel benutzt wird, um dann in Analogie zu sagen, daß Wissen sich in dem System der Kommunikation hält, und keines "realen" Bezugs bedarf, so wie die Mathematik.

 

< Nun gibt es aber noch einen Praxis berücksichtigenden Begriff von Wissen, nach welchem das know-that (Wissen, was der Fall ist, dargestellt in zutreffenden Behauptungen), auf das know-how (Wissen, 'wie' etwas geht) Anwendung findet. Diesen Begriff von Wissen setzt Peter Janich in seinem Buch 'Was ist Erkenntnis?' auseinander (vgl. Janich 2000:130) und begründet die Hervorhebung des know-how unter anderem damit, daß 'Erkenntnisse nicht etwa primär als propositionale, d.h. in Behauptungssätzen darstellbare Handlungserfolge in die Welt kommen, sondern schon in sprachfrei (technisch) erzeugten Produkten vorliegen'. (Vgl. Janich 2000:109) >

 

Entschuldigen Sie bitte, wenn ich in der üblichen Denkweise nur tölpelhaft mitmachen kann. Ich bringe es anscheinend nicht fertig, ein Wort anzunehmen, und dann zu sagen, was diesem Wort entspricht. Ich tue es höchstens umgekehrt. So glaube ich, daß auch Peter Janich es sich zu einfach macht. Aber nachvollziehbar ist seine Definition jedenfalls.

 

Wie ist die Verbindung von Wissen zu Wahrheit ist. Könnte es sein, daß es so viele Wissenstheorien geben muß wie Wahrheitstheorien, d.h. daß sie einander gegenüber gestellt werden können? Wäre das eine die Korrespondenztheorie (also Spiegeltheorie), das andere so etwas wie eine Konstruktionstheorie (Mathematik als Beispiel), und welcher Wahrheitstheorie würde Janichs Wissensbegriff entsprechen? - Entschuldigen Sie mein Abweichen ins Ratespiel, denn die Antwort auf die Frage suche ich schließlich nicht.

 

Ein zentraler Punkt ist mir noch nicht ganz klar geworden: was ist mit dem Begriff der Transzendenz genau gemeint im Zusammenhang mit Wissen?

 

Transzendent weil etwas in einem Ort vorhanden gedacht werden soll, von dem niemand behauptet, daß es ihn gibt, meinetwegen der Ort der Ideen. Transzendenz ist nur eine einfache Metapher, ausgehend von zwei Regalen, wo das eine nichts mit dem anderen zu tun haben kann, weil das eine über dem anderen liegt. Erklärungen hierzu unter dem Abschnitt "Aporie der Transzendenz" in wissen-aporie.htm.

 

Wissen besteht ja nach Rorty entweder in dem Verhältnis von Sätzen zueinander oder wird in Bezug gesetzt zur korrespondenztheoretischen Vorstellung, daß der Satz von einem für real gehaltenen Gegenstand auch handele. Rorty hält allerdings nichts von der Korrespondenztheorie. Er hält Wissen für ein kulturanthropologisches Phänomen oder mit Joseph Hipp: für ein Gespenst.

 

eher mit Gilbert Ryle, der sieht Wissen so, ich meinetwegen auch.

 

Die Stelle lautete: "Allgemein kann gesagt werden: Wenn man ein Wissen, eine Theorie über eine Sache darlegen will, dann muß man einerseits von der Existenz der Sache ausgehen. Wenn man nicht von dieser ausgeht, dann dürfte man etwas ganz anderes tun, nämlich die Theorie oder das Wissen als Phänomen ansehen."

 

Ich gehe aber von der Existenz der Sache aus, lasse sie das sein, was sie ist, und lasse sie auf mich wirken, usw. Deswegen brauche ich auch kein Wissen als Phänomen anzusehen, sondern als Folge der Sache in mir. Und nun kann ich nur noch spekulieren, denn das alles liegt nicht in den vorliegenden Texten vor. Wissen, das sich herstellt, ist etwas anderes als Wissen, das wiederum von anderem befolgt wird. Hier sind wir auch bei den Ideen von Plato, die sich in der Geschichte wiederholen. Obwohl das jetzt spekulativ zu sein scheint, ist mir das alles nicht mysteriös. Auch wenn Sie und andere und ich selbst hier noch ein wenig warten müssen, bevor richtig gute oder sinnvolle Sätze zustande kommen.

 

Bei Janich kommt eine von Rorty nicht einmal erwähnte Bedeutung von Wissen vor, nämlich diejenige, die in den sprachfrei erzeugten Produkten vorliegt (=auch hierdurch wird der Satz bestätigt, daß Erkenntnis immer schon vorausgesetzt ist...).

 

Für Janich dürfte Wissen also nur die Spur sein, die eine andere Sache hinterläßt. So hat ein geschliffenes Glasstück auch das Wissen, ob es im Meer von den Gezeiten geschliffen wurde, oder von Menschenhand. Gegen diese Wissensdefinition dürften viele sich wehren. Ich kümmere mich demgegenüber nicht darum, Sachen einen bestimmten Namen zu geben, etwa "Spur", "Wissen" usw., wenn das nicht so wichtig ist.

 

Wie wäre demgegenüber der Hipp'sche Wissensbegriff zu charakterisieren, auf den es besonders ankäme (falls überhaupt)?

 

Ich habe keinen. Ich mache doch eher das Gegenteil, als Begriffe bestimmen. Etwa indem ich die Transzendenz genauso im Wissen, in den Begriffen usw. überall sehe, und indem ich zeige, daß es ohne diese Transzendenz geht. Ich bringe das Gemeinsame dieser Wörter zum Vorschein, so daß die Eigenständigkeit des den Wörtern scheinbar Entsprechenden sowieso zweifelhaft wird.

 

Gut gefallen hat mir auch die folgende Feststellung: "Charakteristisch für das Wort Wissen wie für die ähnlichen Wörter ist, daß nicht angegeben werden kann, wo das ist, wofür sie stehen. Eine weitere Eigenschaft ist, daß sie einmal für das eine, ein andermal für etwas anderes verwendet werden. Wenn also gesagt wird, daß das Wissen in Köpfen sei, dann wieder in Büchern, dann wieder in einem Raum des Wissens, dann ist Skepsis angesagt."

 

Das hat mich spontan an Popper erinnert, nach dem objektives Wissen in den Büchern, nicht aber in den Köpfen sein soll. (interessant,  wußte ich nicht, wie  hat er das gemeint?)  Meines Erachtens gehört es zu den Aufgaben, anzugeben, was unter Wissen verstanden werden soll/kann/wird, gerade weil Wissen kein Begriff zur Bezeichnung eines Gegenstandes ist (wäre Wissen ein Einzelbegriff wie 'Tisch', bräuchten wir uns wenig Gedanken zu machen).

 

Die Transzendenz kann mit der Benutzung des Wortes Begriff (also Tisch) gedacht werden, und muß mit der des Wortes Wissen gedacht werden. Wenn es mir um das Definieren ginge, hätte ich jedenfalls etwas Allgemeineres als Wissen im Blickfeld.

 

Zu dem Einzelbegriff 'Tisch' müssen wir uns schon Gedanken machen. Wenn von einem einfachen Subjekt (z.B. Tier) ein Wort zu einem Tisch gesagt wird, so denkt es den Tisch von vornherein nicht mit Transzendenz. Wenn es ihn als Werkzeug benutzt, so können wir eventuell davon auszugehen. Auch wenn nur ein Teilaspekt vom Gegenstand Tisch (Draufsteigemöglichkeit) gedacht wird, etwa um an eine andere Sache zu gelangen. Aber das ist nicht so wichtig, denn auch in der üblichen Sprache bleibend, müssen nicht alle Aspekte eines Begriffs bekannt sein, um diesen zu nutzen. (Zu dieser Sache werden noch Texte folgen.)

 

Transzendenz ist nicht "mein" Begriff, ich versuche zu zeigen, wie es ein Denken geben kann, das dieser Fiktion nicht ständig bedarf, oder daß es ein Denken geben kann, das dieser Fiktion überhaupt nicht bedarf.

 

19.7.2002

 

zur Übersicht: www.weltordnung.de 

© Joseph Hipp