Erste Gedanken auf dem
Wege nach außen und nach innen,
zu sich selbst oder in die Welt hinein,
in Richtung Zentrum oder in Richtung Horizont,
oder allgemein zum Unbekannten
Folgende Wörter hören wir oft, wenn wir uns die Frage stellen, was
uns bestimmt und beeinflußt:
Triebe, Denken, Gefühle, Vernunft, Fähigkeiten, Instinkt, Logik,
Erfahrung, Sprache, Eigenschaften, Umstände, Glück, Freiheit, Zufall,
Möglichkeiten, Organisationsstreben, Charaktereigenschaften, Bildvorstellungen,
Instinkt usw.
Was können wir mit diesen Wörtern anfangen? Die Sachverhalte, bei
denen diese Wörter benutzt werden, mögen zwar irgendwie Einfluß auf unser Leben
und Handeln haben, aber sie erklären nicht viel. Es sind nur unterstellte
Ursachen. Wenn wir nun fragen, wieviel die eine oder andere dieser Ursachen zum
Leben und Handeln beiträgt, so haben wir eine derart große Aufgabe vor uns, daß
wir sie nicht bewältigen können. Alles hängt vom Einzelfall ab. So mögen
niedere Beweggründe jemanden zu einer Tat veranlaßt haben, bei anderen
Tätigkeiten mag die Kreativität mehr mitgewirkt haben. Eine allgemeine Funktion
zwischen dem, was vorher war, und dem, was nach dem Geschehen ist, ist mit
solchen Wörtern nicht möglich, wenn überhaupt.
Viele meinen, die Fachleute der verschiedenen Disziplinen müßten
zusammenarbeiten, damit ein Überblick möglich wird. Und die sollten uns ein
Buch zusammenstellen, das wir dann lesen könnten, und Formeln, damit wir alles
vorausberechnen können.
Mit Wörtern wie den oben genannten kommen wir nicht zu einem
Allgemeinwissen, höchstens zu einem Halbwissen. Auf was werden wir nun
zurückgeworfen? Müssen wir uns auf die Suche nach Elementen begeben, die
erklären sollen, wie wir leben und handeln? Oder müssen wir uns klar werden,
welche Wege in Sackgassen führen? Müssen wir uns mit Nebensächlichem befassen?
Müssen wir so manches kritisch zerstören? Alles das muß wohl der Fall sein.
Können wir von einer Spezialdisziplin, z.B. von der Logik oder der
Sprache ausgehen, wenn wir die Frage angehen? Sicher nicht. Ein Vorgehen ist
möglich, bei dem man sich einer Sache voraussetzungslos nähert, obwohl
"Annäherung" sowie "voraussetzungslos" nur Metaphern sind.
Hierbei besteht nicht die Erfordernis, alles genau zu definieren. Man braucht
nicht immer genau zu sein. Bekannt sind mindestens drei wichtige Metaphern des
Fortschreitens:
-
das einsammelnde Lernen,
-
das konstruierende Lernen, wobei mit Voraussetzungen
weitergerechnet wird,
-
die Aufklärung.
Bei
der ersten wird das gelernt, das sich gerade auf dem Weg zeigt, oder was vom
Lehrer gezeigt wird. Bei der zweiten muß viel definiert werden, es wird mit
Voraussetzungen und Sprache weitergerechnet und diskutiert. Es wird Bekanntes
auf Bekanntes gesetzt, und Neues soll dabei hervorgehen. Bei der dritten werden
die Sachen auf dem Wege klarer, und gleichzeitig können ihnen Namen gegeben
werden.
Auf
dem Weg zum Kennenlernen unserer selbst kommen wir alle zwangsläufig auf die
Frage nach unserem Entstehen. Dann denken wir, daß wir eine Ursache haben, so
wie vieles andere. Es muß etwas geben, das uns gewollt hat. Die Antwort der
Eltern, daß sie uns gewollt haben, genügt uns nicht. Gibt es darüber hinaus
etwas, das uns gewollt hat? Oder sind wir nur entstanden? Auf diesem Wege
treten uns Lösungsversuche entgegen, die so tun, als wären sie positive
Antworten auf die Frage nach dem Sinn. Sie geben vor, daß unser Leben einen
Sinn hat. (Stufe 1)
Wenn
wir an solchen Lösungsversuchen nicht stehen bleiben, sehen wir, daß die
Sinnfrage sinnlos ist, daß da irgendein Sprachfehler vorliegt. Denn ein Sinn
schlechthin, nicht ein Sinn für eine Person, das ist nicht verständlich. (Stufe
2)
So
bleibt uns vielleicht noch die Meinung, daß wir uns unseren Sinn vorgeben
können. Daß wir sozusagen dem Lauf des Geschehens entweichen können, und über
ihn so wie von oben herab bestimmen können. Zu dem Zeitpunkt merken wir noch
nicht, wie sehr wir in der Sprache befangen sind, wie sehr diese Fragen mit
Metaphern in Verbindung stehen, die wir selbst noch nicht verstehen. Es ist
dann wie ein Teufelskreis. So können wir denken, daß wir einen Gesamtsinn
haben, der aber nicht so leicht zu bestimmen ist. Die kleinen und großen Sinne
oder Ziele jedoch glauben wir uns vorgeben zu können. (Stufe 3)
Aber
auch hier wird uns oft ein Strich durch die Rechnung gemacht, so daß wir immer
wieder zurückgeworfen werden, wenn das sich einstellt, was wir nicht wollen,
wenn wir unsere Ziele nicht erreichen, und das ganze System der Zielsetzung
sich in Frage stellt. Schlußendlich wissen wir, daß wir Ziele von anderen
Gedanken nicht unterscheiden können. So können wir uns nur noch als Teil des
gesamten Geschehens sehen, in dem wir als solches unsere Geltung haben.
Illusion ist es, wenn wir beim Glauben bleiben, daß wir das Geschehen sozusagen
von oben herab beeinflussen können. (Stufe 4)
Weiter
geht es dann mit dem Denken, daß auch niemand anders außerhalb des Geschehens
wirkt, weder die Politiker noch irgendwelche Außerirdischen oder Götter. Dann
ist die Frage nicht mehr sinnvoll, warum die Obrigkeit die Welt denn nicht
besser organisiert. So muß alle unsere Kritik der Verhältnisse in diesem Sinne
angepaßt werden. Wir können niemanden mehr kritisieren, wenn er selbst
eigentlich nicht Organisator ist. (Stufe 5)
Was
nicht für Personen gilt, warum sollte das noch für sonstige Mächte gelten? So
können wir abstrakte Mächte, wie z.B. die Sprache, die Psyche, das Böse,
Naturgesetze usw. nicht mehr als Ursache für Mißstände oder sonstige Tatsachen
angeben. Zusätzlich ist alles verflechtet. Dabei kann erkannt werden, daß die
abstrakten Mächte genauso dunkel wie auch heimtückisch sind, auf dem Wege zum
Ergründen. (Stufe 6).
Aus
diesem Scherbenhaufen können wir uns nur langsam emporwühlen. Bekanntlich hat
Demokrit von unten angefangen, indem er annahm, daß alles auf den Atomen und
deren Bewegung beruht. Auch wir können nur unten anfangen, oder oben, um uns
mit guten Wörtern, Sätzen, Beschreibungen, an die Ursachen heranzuwagen. Dabei
müssen die Wörter streng geprüft werden, mehr noch als Sätze und Geschichten.
Insbesondere dann, wenn wir schon so oft mit ihnen in Sackgassen geführt
wurden. Hauptsächlich die Sprache ist unser Scherbenhaufen. (Stufe 7)
Jeder
kann sich nun fragen, wo er sich auf dem hier skizzierten Weg befindet. Er kann
auch glauben, er könne einen Strich durch diesen skizzierten Weg machen. Ein
Weg ist wie so viele Metaphern etwas Dunkles, und muß nicht als klar angenommen
werden. Beim Denken geht es nicht um Wahrheit, sondern darum, ob dieses Denken
nachvollziehbar ist. Es ist auch nicht möglich, etwas als wahr anzunehmen,
etwas anderes als unwahr. Es kann nur gesagt werden, was man denken kann, und
was nicht. Das alles soll hier in der Folge erläutert werden.
Wörter wie Absicht, Ziel usw. sind von vornherein nicht annehmbar,
allerhöchstens sind es Vaihinger-Fiktionen. Denn ihre Örtlichkeit ist
unbestimmt. Es ist nicht so, als ob die Örtlichkeit bei jedem Wort
vorausgesetzt werden müßte, bevor es benutzt werden kann. Aber hier ist dies besonders
wichtig. Ist das Ziel im Kopf des Planenden, oder ist es dort wo das Geschehen
ist? Es soll in beiden sein, wird wohl die Antwort sein, die nicht annehmbar
ist. Ich will hier dieselben Fragen nicht mit dem Wort Absicht durchspielen,
das wäre doch dann derselbe Brei. Auch wenn gesagt wird: "Absicht ist nur
im Kopf, eine Art Gedanke, der sich realisieren will." (P soll ab
hier für irgendein Subjekt benutzt werden.)
Ich
will also Sätze hören wie:
-
Das
Ereignis hatte P geplant.
-
P
hat das Ereignis verursacht.
-
P
hatte nichts gegen das Eintreten des Ereignisses, das Ereignis war ihm egal,
und wenn es etwas Böses war, hatte er nicht die moralische Kraft, es zu
verhindern.
-
P
hat viel Energie dafür aufgebraucht, damit das Ereignis auch geschehen konnte.
-
Ihm
war das Ereignis eigentlich egal, er wollte nur die Lust haben bis zum
Ereignis. z.B. er tötete nicht, um zu töten, sondern um seine sadistische Lust
dabei zu befriedigen. Ihm tat das daraus folgende Ereignis sogar leid, nicht
nur mit Blick auf seine Verurteilung.
Larry
Flint sagt: "Las Vegas wurde nicht von Gewinnern gebaut, sondern von
Verlierern." Dies ist ein gutes Beispiel dafür, daß Sachen entstehen, die
nicht beabsichtigt werden. Es hängt davon ab, wie weit ein Subjekt voraussieht.
Wer Flints Satz in sein Wissen aufnimmt, weiß auch, daß er durch das Hinfliegen
nach Las Vegas die Stadt ein klein wenig vergrößert. Er kann dieses Wissen aber
auch verdrängen. Ebenso kann er Flugzeuge benutzen und gleichzeitig gegen
Umweltverschmutzung sein. Formell besteht dann kein Unterschied zwischen ihm
und dem sadistischen Mörder, nur was die Voraussicht betrifft. Beide sagen sich
ja: "Na ja, man kann nicht alles berücksichtigen, jetzt bin ich am Zuge
und will jetzt leben, so wie ich es will, ich will jetzt Spaß haben, und das
kann mir doch niemand verbieten."
Dieses
Beispiel zeigt auf die Verantwortungsproblematik und darauf, daß es dem Subjekt
nicht um das Ereignis, sondern vorwiegend um das Erleben gehen kann. Ist es
überhaupt möglich, eine Erlebensweise, ein Glückserleben in der Zeit zu
beabsichtigen? Das Subjekt ist unmittelbar im Leben, im Erleben, es muß vorher
nicht die Absicht gehabt haben, etwas Bestimmtes zu tun. Zu jedem Zeitpunkt
wirken alle möglichen Kräfte, und keine steht über einer anderen.
Andererseits
ist mir niemand in meinem Bekanntenkreis bekannt, der bei Introspektion seine
Absichten schön von den anderen Gedanken, Gefühlen usw. getrennt sieht, oder
entsprechende Qualitäten und Qualitätsunterschiede unmittelbar sehen kann.
Deswegen können Absichten nur Kategorisierungsversuche eines Betrachters sein,
oder des Selbstbetrachters, was zusätzlich Probleme mit sich bringt.
Wer
das Obige nicht nachvollziehen kann, braucht nicht zu versuchen, sich selbst
Fragen mit Wörtern wie "entscheiden", "bewußt", usw. zu
stellen, denn dies sind weitere zweifelhafte Wörter, mit denen die Sache sicher
komplexer wird als sie ohnehin ist.
(13.6.2002)
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zum
nächsten Text: Solipsismus und Weltverbundenheit
mit folgender Beschreibung: Es ist offensichtlich, daß wir hilflos sind, wenn
wir nur träumen. Obwohl der Solipsismus uns unmöglich erscheint, öffnet sein
Denken doch die Tür zur Weltverbundenheit.
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zur
Übersicht: www.weltordnung.de
© Joseph
Hipp