Wortpaar, Wörterverbindung, Phrasem

Bei der Wörterverbindung "soziale Dissonanz" sind die zwei Wörter schon bekannt, das wird zumindest vorausgesetzt, nur soll jetzt noch zur Kombination beider etwas Neues gedacht werden. Und obwohl dieses Wortpaar sehr selten vorkommt, kann jeder, der sich ein wenig anstrengt, doch schon etwas dazu denken. Allein die Existenz zweier Wörter gibt die Möglichkeit, sie in Kombination zu sagen. Der erste, der diese Kombination herstellt, kann mit Sätzen sagen, was er denkt, wenn er sie verwendet. Oder aber er sucht, wo sie schon vorkam, und holt die Sätze von dort her, um eine eventuelle Benutzung in dem Sinne zu denken und zu denken zu geben. Mit dem Wortpaar schlägt er sozusagen ein neues Lemma für ein Lexikon vor.

Wenn zwei Wörter vorliegen, kann je nach Stellung des einen Wortes zum anderen Verschiedenes zu denken gegeben werden. Wenn nun eine Person etwas zu denken geben will, kann sie auch einen Satz machen (mit einem Prädikat), ohne ein neues Wortpaar dazu verwenden. Beispiel:

Person A sagt: Die Gesellschaft G hat eine soziale Dissonanz. (1)
vs.
Eine/die soziale Dissonanz in der Gesellschaft G besteht. (2)

In (2) ist implizit zu denken: Es gibt etwas in einer oder jeder Gesellschaft, für das das Wortpaar "soziale Dissonanz" gebraucht werden kann, und explizit, dass die zu denkende Sache in der Gesellschaft G vorliegt. In (1) ist nur ein Hinweis darauf gegeben, dass etwas ist, in der Gesellschaft G, aber ungenauer. Bei (1) wird nicht oder nicht so stark vorausgesetzt, dass es eine soziale Dissonanz gibt. Zu (1) könnte die Person gefragt werden, wie sich diese in der Gesellschaft bemerkbar macht, bei (2) kann eher gefragt werden, wie die soziale Dissonanz zu verstehen ist.

Es ist offensichtlich, dass derjenige, der den Satz (2) sagt, die Wichtigkeit der Sache "soziale Dissonanz" betont. Wenn dieses Wort von einem bekannten Soziologen immer wieder auch im Fernsehen gesagt würde, dann würde es wohl vom Mann auf der Straße, wie ich einer bin, es auch nutzen. Es muss also gelernt werden, es genügt nicht, die zwei Wörter zu kennen. Derjenige, der also mit einem neuen Wortpaar ankommt, sagt damit implizit: "Mach dir mal Gedanken dazu." Oder sogar "Du solltest wissen, was darunter zu verstehen ist, und wenn nicht, lerne es."

Es spielt hierbei keine Rolle, ob ein Einzelwort oder das Wortpaar ein Sache genau zu denken gibt, oder nur ungefähr.

Ich bedenke hier nicht die weiteren Möglichkeiten, etwa die Varianten der Lemmata. Die Umkehr würde zur "sozialen Dissonanz" würde etwa "dissonante Sozietät" ergeben. Weiter: "gesellschaftliche Dissonanz", dann fehlt das Gutherzige am Wortpaar. Daraus ist abzuleiten, dass derjenige, der "soziale Dissonanz" benutzt, etwas in dem Sinne zu denken geben will. Vom Wortpaar geht etwas Verwirrendes aus, denn wenn das was mit dem Wort sozial zu denken ist, ist normalerweise gut ist, und nun liegt es in Gemeinschaft mit der Schlechtigkeit Dissonanz vor. Die Verwirrung würde bei "gesellschaftliche Dissonanz" nicht oder weniger entstehen.

Wenn nun jemand das neue Wortpaar hört, dann erinnert dies ihn an andere, bei denen ein Wort dasselbe ist, etwa das Wortpaar "kognitive Dissonanz". So wie die kognitive Dissonanz in der Person vorhanden gedacht werden kann, so soll die soziale Dissonanz in der Gruppe vorhanden gedacht werden. Allerdings soll bei "kognitiven Dissonanz" eine kurzzeitige Dissonanz in einer Person gedacht werden, aber die "soziale Dissonanz" längerfristig in einer Gesellschaft. Also hilft die "kognitive Dissonanz" nicht zum besseren Verständnis von "sozialer Dissonanz".

Der Rückgriff auf die Einzelwörter würde wiederum mehr zu denken geben, aber dieser ist auch in den Sätzen der Art (1) oben vorhanden. Der Bezug zu einem Bereich oder dem Bereich, bei dem die Sache Dissonanz definiert werden kann, ist bekanntlich zumindest die Musik, eine Zeigedefinition befindet sich im Dissonanzenquartett.

Dann stellt sich die Frage, ob denn bei "kognitiver Dissonanz" nicht besser von "kognitiver Verwirrung" gesprochen werden könnte, dann wäre sie in der Person zu denken, und es müsste nicht gefragt werden, wo. Denn bei Musik ist die Sache Dissonanz definierbar, Verwirrung kann jedoch nur bei zwei Personen gleichermaßen vorliegen, und das, was dazu führte. Dass es Sätze sind, oder Musikteile, ist bei "kognitiver Dissonanz" wichtig, nur wird kaum ein Mathematiker bei einem Problem sagen, die Person hätte danach eine "mathematische Dissonanz". Also auch das Wortpaar "kognitive Dissonanz" ist zusätzlich deswegen unglücklich gewählt, weil mit dem Wort kognitiv an ein Wissen gedacht werden soll, etwas Gutes, nämlich Wissen, und bei Wissen ist selten gleichzeitig Dissonanz vorliegend zu denken.

Für die hier oben gezeigte Abfolge von zwei Wörtern der Art "soziale Dissonanz" habe ich mehrere Wörter gefunden. Einmal wird dazu das Wort "Konstruktion" verwendet, ein andermal "Syntagma", dann fand ich in der Linguistensprache die Wendung "attributive Konstruktion", "Konstruktion mit Attribut", eventuell "Konstruktion mit adjektivischem oder nominalem Attribut". Auch das Wort "Wortverbindung" habe ich dafür allgemein gefunden. Nur ist dieses verwirrend, besser wäre dann das Wort Wörterverbindung, weil mindestens zwei Wörter vorliegen müssen. Hier verwende ich ein einfaches Wort dazu, eben Wortpaar. Nun habe ich zusätzlich wahrscheinlich das treffendste Wort gefunden, das aber nicht jedem geläufig ist, es ist das Wort "Phrasem", aus der Doktorarbeit, mit Quellenangaben unten zitiert:

"Nach Fleischer (1997:1) erfolgt die Erweiterung des Wortschatzes einer Sprache durch die Bildung neuer Wörter (Neologismen), durch Entlehnung aus fremden Sprachen und durch den sogenannten Bedeutungswandel von Einzelwörtern. Fleischer fügt hinzu, dass der Wortschatz einer Sprache sich auch dadurch entwickelt, dass freie syntaktische Wortverbindungen, Wortgruppen, in speziellen Bedeutungen „fest“ werden und damit zu Bestandteilen des Wortschatzes werden können. Dieser Prozess lässt sich als Phrasembildung bezeichnen. Außer der Phrasembildung leisten Metaphorisierungen oder metaphorische Bezeichnungen einen Beitrag zur Bereicherung des Wortschatzes."

Wenn nun ein Autor ein Wortpaar in die Sprache einbringt, oder es aus vorherigen Texten entnimmt, dann hätte er gefragt werden können, warum er denn keine Komposition, Derivation.oder eine andere Form vorlegte. Er hätte auch ein Lehnwort nehmen können, oder er hätte ein Wort erfinden können, und dieses als reinen Tisch verwenden können. Dann hätte er voll in der Hand gehabt, die Sache zu denken zu geben, sozusagen hätte er zwei Fliegen auf einmal schlagen können. Mit dem Wort könnte die Kommunikation genau erfolgen. Derjenige, der die Sache nicht denken könnte, könnte das Wort dazu nicht sagen, oder zumindest nicht korrekt verwenden. Auch bei Einzelwörtern, die am Anfang unbekannt sind, ist die Methode des reinen Tisches gut. Pippi Langstrumpf erfand das Wort Spunk und zum Schluss auch die Sache, die dem Wort entsprechen sollte.

Ein Autor hat es einfacher, wenn er schon bekannte Wörter zusammensetzt. Dann wird zumindest etwas schon verstanden, aber der Vieldeutigkeit wird die Tür aufgemacht. Nebenbei bemerkt ist das auch bei Einzelwörtern der Fall. Verschiedene Autoren versuchen Umdefinitionen herzustellen, mit der Form: "Wenn dieses Wort hier verwendet wird, soll eine bestimmte Sache gedacht werden, die ich hier klarstelle."

Weitere Bemerkungen

Mit neue Wörtern und neuen Wortpaaren wird die Gesamtwortzahl der Lemmata eines Wortschatzes erhöht. Ein Literat erfreut es, dann kann er alles noch besser und genauer schreiben, und ein Politiker kann noch bewundernswertere Reden halten. Ein Minimalist wird sich jedoch gegen eventuelle Redundanzen ärgern, und gegen Wörter und Ausdrücke, die viel oder Zweifelhaftes zu denken geben, oder gegen Worthülsen.

Hier oben wird von der Frage abgesehen, wie Neologismen und neue Sätze in der Gruppe wirken, in die sie zur vorherigen Sprache hinein kommen, was sie bewirken, bewirken können, was denn in ihnen wirkt, wie es wirkt, warum es wirkt.

Hier oben ist auch davon abgesehen, wie das wirkt, das die Person in die Gruppe einbringt, oder aber ob die Person nur ihre Zutat als Meinung oder in sonst einer ähnlichen Form einbringt. Hier können die verschiedensten Formen und Ursachen am Werk. Der eine strahlt, wenn er seine Zutat überhaupt geben darf, der andere freut sich über finanzielle Wirkungen, der dritte möchte selbst wirken, der vierte möchte "die Welt" verbessern, der fünfte gegen etwas wirken. Und nicht jeder versucht auf die Gesamtgruppe zu wirken, es mag ihm auch eine einzige Person in der Umgebung genügen.

Obwohl von vielem hier abgesehen wird, können die Sachen, von denen hier im Text abgesehen wurde, diskutiert werden, vom allgemeinen Denken her, und vom gründlichen her, vom sich anpassenden Denken, das an die Sache ran will. Dann sind jedoch persönliche Zutaten fehl am Platz. Sie sind jedoch nicht unbedingt nur am Rande interessant. Denn gerade sie verursachen dieses Denken, und deswegen können auch diese Zutaten, wenn auch am besten separat, diskutiert werden, wie René Descartes es empfahl. Sonst entsteht ein Gemisch, und der Leser hat die Aufgabe, die Sache von den Zutaten zu trennen. Es kann vermutet werden, dass der Leser die Aufgabe kaum oder eher nicht lösen kann.

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Fundstellen nach Suche:

1. https://de.wikipedia.org/wiki/Komposition_(Grammatik)
Die zwei Wörter sind miteinander verbunden.

2. https://de.wikipedia.org/wiki/Nominalkompositum

3. https://de.wikipedia.org/wiki/Kofferwort

4. https://de.wikipedia.org/wiki/Syntax

5. https://de.wikipedia.org/wiki/Attribut_(Grammatik)

"Die folgenden Beispiele verdeutlichen die möglichen Konstruktionen (die Attribute sind in den Beispielen durch Kursivschrift, die Bezugswörter durch Fettschrift markiert):

Adjektivische Attribute

Diese sind meistens, aber nicht in allen Fällen, Linksattribute:

Das kleine Kind schreibt eine Klassenarbeit. (Adjektiv, Linksattribut)"

Von der Syntax her wäre die "soziale Dissonanz" wohl eine Konstruktion mit adjektivischem Attribut.

6. https://de.wikipedia.org/wiki/Attribut_(Philosophie)
Dort geht es über die Linguistik hinaus.

7. https://dewiki.de/Lexikon/Attribut_(Grammatik):

Attribut, deutsch auch Beifügung oder Satzgliedteil, ist ein Begriff aus der Grammatik und bezeichnet im engen Sinn einen Ausdruck, der von einem Substantiv grammatisch abhängt. In diesem Sinn nennt man das Adjektiv schnell in schnelles Auto ein attributives Adjektiv, im Gegensatz zum prädikativen Gebrauch in dem Satz Das Auto ist schnell. Dieser enge Sinn des Begriffs ist vor allem auch in der Wendung attributive Konstruktion gemeint.

8. https://gsw.phil-fak.uni-duesseldorf.de/diskurslinguistik/index.php?title=Attribut

9. https://de.wikipedia.org/wiki/Attribut

10. https://fr.wikipedia.org/wiki/Attribut_(grammaire):

« Attribut », comme terme de grammaire, n'a pas la même signification en français qu'en allemand, où il correspond à notre épithète (voir la page correspondante).

11. https://fr.wikipedia.org/wiki/%C3%89pith%C3%A8te

Une épithète est un mot ou une locution utilisé au sein d'un syntagme nominal pour en qualifier le noyau. Elle s'oppose à l'attribut, qui est relié au nom à l'aide d'un verbe d'état. L'épithète se rattache à un nom auquel elle est le plus souvent liée directement, sans préposition. Elle le suit ou le précède immédiatement. L'épithète peut être supprimée sans nuire à la correction de la phrase ni en modifier profondément le sens. Elle donne un supplément d'information. Selon les langues, les épithètes peuvent être des adjectifs, des noms, des locutions adjectivales (comprenant éventuellement un nom) et/ou des locutions nominales1.

12. https://de.wikipedia.org/wiki/Epitheton

die kuhäugige Hera“, „die rosenfingrige Eos“, „der listenreiche Odysseus“, „die wolletragenden Schafe“. Diese Wortverbindungen sind nicht zuletzt den Erfordernissen des epischen Hexameters zu verdanken und dienen der vollklingenden Ausfüllung eines Verses.

13. https://de.wikipedia.org/wiki/Syntagma

In der Linguistik wurde der Ausdruck Syntagma von Ferdinand de Saussure eingeführt und bezeichnet eine Kette von Elementen in einer vorliegenden Äußerung.[1] Die Elemente werden durch Zergliederung (Segmentierung) gewonnen und können „aus Lauten, Wörtern, Wortgruppen, Teilsätzen oder ganzen Sätzen bestehen“.[2] Als wesentlich wird in der Regel eine syntaktische Zusammengehörigkeit der Elemente genannt.[3] Die Elemente eines Syntagmas stehen in der Regel nebeneinander. Dies ist jedoch nicht notwendig.[4]

14. Doktorarbeit

https://d-nb.info/1205976175/34

Phraseologisches Wörterbuch Deutsch-Indonesisch am Beispiel der Somatismen und anderer Phraseme
Lexikologische und lexikographische Untersuchungen und Wörterbuch
Inaugural-Dissertation
zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie in der
Fakultät für Philologie
der
RUHR-UNIVERSITÄT BOCHUM
vorgelegt von

Muhammad Arie Andhiko Ajie

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