Information, Kausalität, Verstehen

Angenommen es ist ein kleiner Stromkreis mit Batterie, Schalter und Lampe hergestellt. P ist hier eine Person, M ein Mathematiker.

P: Der Schalter hat zwei Positionsmöglichkeiten: eingeschaltet, ausgeschaltet. Der Strom kann fließen, wenn der Stromkreis an der offenen Stelle mit Hilfe eines Kontaktelements geschlossen wird.

M: Hier gibt es den Wahrheitswert 0 und 1. Der 1 entspricht die Freigabe des Stroms, der 0 entspricht der verhinderte Stromfluss.

P: Mit der Lampe ist es analog. Die Lampe leuchtet, wenn der Strom fließt, sie ist ein passives Element: Wenn sie Strom bekommt, leuchtet sie, wenn nicht, leuchtet sie nicht. Sie hat also zwei Möglichkeiten: leuchtend und nicht leuchtend.

M: Hier gibt es auch die Möglichkeiten 0 und 1. Wie beim Schalter nutze ich statt des Wortes Möglichkeit das Wort Wahrheitswert. Der 1 entspricht das Leuchten, der 0 das Nicht-Leuchten.

P: Wenn ich den Schalter einschalte, leuchtet die Lampe.

M:
1. Die Lampe hat den Wahrheitswert 1 vom Schalter übernommen, er wurde über ein Medium übertragen, von dessen Art ich jedoch abstrahiere.

2. Die Nachricht (Wahrheitswert 0 oder 1) geht demnach vom Schalter auf die Glühbirne über, das nenne ich Informationsübertragung.

3. Zudem wird der Wahrheitswert folgendermaßen übertragen:

Auf 1 (beim Schalter) folgt logischerweise 1 (bei der Lampe)

Auf 0 (beim Schalter) folgt logischerweise 0 (bei der Lampe)

4. Allgemein, gemäß George Boole wird x (beim Schalter) befolgt von x bei der Lampe, wobei x eben 0 oder 1 sein kann.

Exkurs Abstraktion
Wikipedia aktuell: "Das Wort
Abstraktion (lateinisch abstractus ‚abgezogen‘, Partizip Perfekt Passiv von abs-trahere ‚abziehen‘, ‚entfernen‘, ‚trennen‘) bezeichnet meist den induktiven Denkprozess des erforderlichen Weglassens von Einzelheiten und des Überführens auf etwas Allgemeineres oder Einfacheres. ..."

Dem kann hinzugefügt werden, dass die Abstraktion bewusst, gewollt oder unbewusst abläuft, oder dass Einzelheiten übersehen werden, so dass die Abstraktion sozusagen auf einem Mangel beruht. Jan Schreiber schrieb in der Diskussion von Wikipedia: "Ich bitte in diesem Zusammenhang die Ergebnisse der Forschung hauptsächlich Christian Thiels zu berücksichtigen, wonach Abstraktion auf keinem psychischen Prozess beruht..." Auch dies ist zu bedenken. Zudem können die mathematischen Berechnungen in Maschinen ablaufen, und dann real auf Papier oder sonst geschrieben werden.

In diesem Zusammenhang entsteht die Frage, welche Art von Abstraktionen erlaubt sind, und zudem wie viele in denselben Umständen, ohne dass Fehler entstehen. Oder es geht darum, herauszufinden, welche Fehler denn bei falscher Anwendung welcher Abstraktion entstehen.

P: Der Mathematiker hat drei Mal abstrahiert, einmal indem er beim Schalter wie auch bei der Lampe einen Wahrheitswert denkt, und ein zweites Mal, indem er das Übertragungsmedium zwar annimmt, sich aber nicht dafür interessiert, was über dieses fließt, außer der von ihm so genannten Information oder von ihm so genannten Signals. Eine dritte Abstraktion geschieht mit Boole, indem für ihn auch die Zeit der Übertragung keine Rolle spielt, weil eine logische Folge gedacht wird, und diese zeitlos ist. Weitere Abstaktionen werden angenommen, sie sind hier jedoch nicht relevant. Im Beispiel ist es etwa die Höhe des Stroms, der durch die Leitungen fließt.

Diese drei Abstraktionen sind eine Vereinfachung der Versuchsanordnung. Die Vereinfachung hat zwar den Vorteil, dass sie auch auf andere Geräte angewandt werden kann, aber den Nachteil, dass mit dieser Denkweise kein Interesse an den Geräten vorhanden sein muss. Wie auch bei der sonstigen Mathematik kann in dieser weiter gerechnet werden, so dass diese sich erweitert, beim Mathematiker. So sieht er sein Vorgehen immer wieder bestätigt, trotz der anfänglichen Abstraktionen. Ohne diese wäre ein Rechnen noch komplizierter als es schon ist. So kommt der Mathematiker effektiv zu Resultaten, die im üblichen Denken nicht oder nicht leicht gefunden werden. Die Resultate sind nach korrekter Berechnung immer korrekt, wenn der Mathematiker keinen Fehler begeht. Nur die Vereinfachungen, also die Gesamtheit der anfänglichen Abstraktionen einerseits, und der späteren Subsumtionen andererseits (Subsumtion definiert als Gegenteil von Abstraktion) können ihm einen Strich durch die Rechnung machen.

Beim Beispiel des Stromkreises zeigt sich, dass der Mathematiker mit seinen drei Abstraktionen, insoweit er sein Denken damit einschränkt, scheinbar am kausalen Ablauf kein Interesse hat oder gar haben kann. Mit diesen überführt er die Situation in den Bereich der Mathematik. Diese Überführung und der dortige Erfolg bringt einige Mathematiker und sogar Nicht-Mathematiker zum Denken, alles sei Mathematik, oder sogar alles sei Information. Richtig ist lediglich daran, dass die Mathematik in so einem Fall auf viele grundsätzlich verschiedene Anordnungen bzw. Geschehnisse anwenden lässt.

Nun ist zu bedenken, dass im obigen sehr einfachen Beispiel vorläufig gedacht drei Abstraktionen vorkommen. Eine Abstraktion kann bekanntlich als eine negative Hypothese oder eine negative Vaihinger-Fiktion angesehen werden, negativ, weil "alles" gedacht wird, mit Ausnahme der durch die Abstraktion im Denken verhinderten Sachen. Es kann hier nicht von der Ceteris-paribus-Bedingung gesprochen werden, weil bei letzterer das Interesse auf wenige Größen beschränkt wird gegenüber den möglicherweise vielen Störgrößen. Hier jedoch wird das Ganze gedacht, ohne die Sachen, von denen abstrahiert wird. Auch bei komplizierteren Stromkreisen mit sehr vielen Geräten und Elementen, im Vergleich zu dem obigen einfachen Stromkreis, können die genannten drei Abstraktionen genügen. Dann können sogar lange Berechnungen folgen, nach denen es sozusagen zurück zur Realität geht. Das alles ist sehr erstaunlich, denn in dem Fall sind die Abstraktionen negative Vaihinger-Fiktionen, weil sie nach der Berechnung herausfallen. Dann wird die Prognose möglich, obwohl die Zeit nicht in der Berechnung vorkommt. Weil sie dort nicht vorkommt, ist die angenommene Prognose nicht auf Grund des Verstehens des kausalen Geschehens erfolgt. Die Sache Abstraktion-Berechnung-Subsumtion grenzt demnach gewissermaßen an eine Art Zauberei. Diesen Eindruck hat der Betrachter, je weniger er der Berechnung folgen kann, was schließlich bei der Zauberei analog der Fall ist. Weil ein Mathematiker kein Interesse an der Kritik der Abstraktion haben muss, kann er sich immer in der für ihn sicheren Ebene der Mathematik bewegen. Das alles wird durch konsekutive Berechnungen und komplizierte Versuchsanordnungen noch offensichtlicher. Trotz des Lobes von Mathematik kann gefragt werden, ob einem Schüler allein mit Hilfe dieser die Funktionsweise eines Fahrrads, eines Einzellers, eines Verstärkers beigebracht werden kann. Es kann sein, dass das kausale Verstehen sogar durch das alleinige Vorführen der mathematischen Berechnungen behindert wird.

Für Mathematik gibt es zwei sich ausschließende Hypothesen, die mit der an sich einfachen Booleschen Algebra und obigem Beispiel hervorgekehrt werden können.

(1) Die Boolesche Algebra wird mit Hilfe von Abstraktion aus der Versuchsanordnung und Situation herausgezogen, und es kann danach mit ihr sehr viel gerechnet und berechnet werden, sie gestattet Vorhersagen für andere ähnliche Versuchsanordnungen und Situationen.

(2) Die Boolesche Algebra kommt aus der Vernunft heraus, so wie es vielleicht Immanuel Kant denken würde, sie ist ohne Bezug auf irgend etwas Empirisches vorhanden. Berechnungen mit Hilfe der so gefundenen Booleschen Algebra findet dann Versuchsanordnungen und Sachen in der Natur, auf die sie passen und angewandt werden kann. Erstaunlicherweise. Die Boolesche Algebra steckt demnach in diesen zufällig gefundenen Sachen. Getrennt gesehen ist sie eine Hilfswissenschaft.

Gleich welche Hypothese eine Person annimmt, die Berechnungen können aufgezeichnet werden, und sind damit sozusagen dort schon als Versuchsanordnung vorhanden, als Modell, und damit real vorhanden. Dem würde die Person (1) zustimmen, nicht jedoch die Person (2), die notgedrungen eine Art platonischen Raum für Modelle vorsehen müsste.

Wenn die zwei Personen zu einer neuen Situation kommen, in der sie merken, dass sie die Berechnungsmethode anwenden können, können sagen:

Person mit (2) kann sagen: Aha, hier ist eine neue Stelle, an der ich das Werkzeug einsetzen kann. Es ist wundersam, dass die Boolesche Algebra schon wieder einen Nutzen hat. Nun kann ich rechnen und prognostizieren.

Person mit (1) kann sagen: Hier ist eine Situation, aus der die Boolesche Algebra mit Abstraktion heraus hergestellt werden könnte. Es wäre obsolet, zu sagen, dass dort etwas vorkommt, was aus ihr entnommen werden kann. Auch ich kann jetzt rechnen und prognostizieren.

Was hier für die Boolesche Algebra gesagt werden kann, kann auch für andere Bereiche der Mathematik gesagt werden. Hier können die Texte des Paul Lorenzen für den Bereich gedacht werden, bei denen anfänglich mit Kalkülen gerechnet wird.

Dass die Boolesche Algebra eine Definitionen für Information hergibt, und es zusätzlich andere Definitionen gibt, bewegt Personen mit (2) dazu, zu sagen, überall sei Information im Spiel. Auch eine extensionale Definition von Mathematik mit den vielen Teilbereichen von Mathematik kann zum Satz führen, überall sei Mathematik im Spiel.

Personen mit (2) können, obwohl sie ihr Wissen überall in den Sachen selbst sehen, trotz allem sagen, dass sie über diesen stehen, und ihr Wissen anwenden, und dass sie mit dem Wissen über den Sachen wandeln. Personen mit (1) können ihr Wissen zwar von außen gesehen zwar anwenden, sie selbst könnten sich vermutlich an oder mit der Sache zusammen denken, wenn sie sie berechnen.

Die zwei Zugangsweisen mit den zwei Hypothesen sind somit nicht auf Mathematik beschränkt. Die zwei Hypothesen sind bekannt, nur ist die Hypothese (2) vermutlich fragwürdiger als die Hypothese (1).

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