Differenzierung-Abstraktion

Vorbemerkung mit Blick auf sprachliche Üblichkeiten

Angenommen die Sprache gibt zwei Suffixe zur Verfügung ("frei" und "los"), und beide werden oft synonym verwendet, aber unerklärlicherweise wird in einem Fall das eine Suffix verwendet, im anderen das andere, z.B. koffeinfrei, kinderlos, usw., nur leichte Gründe geben den Ausschlag für das eine oder andere.

frei
[1] Akzentfrei sprechen bedeutet, ohne einen Akzent zu sprechen.
[1] Ein bügelfreies Hemd braucht man nicht bügeln.
[1] Für ein gebührenfreies Konto zahlt man keine Kontoführungsgebühren.
[1] Rostfreier Stahl rostet nicht.
Gegenwörter:
[1] -reich; vorangestellt: voller
(https://de.wiktionary.org/wiki/-frei)

los
[1] Jemand, der keinen Appetit hat, ohne Appetit ist, ist appetitlos.
Gegenwörter:
[1] -gebunden, -pflichtig
(https://de.wiktionary.org/wiki/-los)

Schlussfolgerung

Die sprachlichen Betrachtungen führen zu keiner Klärung des Problems des Differenzierens. Ein Vorschlag wäre, zuerst eine Beschreibung für zwei Sachen zu versuchen, und im Anschluss ein Wort für jede der Beschreibungen zu wählen.

Situationen, bei denen Differenzierungen üblich und anerkannt sind

Dies ist bei materiellen Sachen der Fall.

Schopenhauer bemerkte, dass Brot- und Kuchenherstellung mit einem Teig für beide begonnen werden kann. Die Differenzierung geschieht in der Zeit.

A kann einer Suppe Salz hinzufügen, B nicht. C kann auch sagen, dass eine Suppe ohne Salz keine Suppe ist. Für ihn privat kann er diese Definition sagen, und jeder kann sie verstehen. Die Differenzierung würde von einer Zugabe bestimmt werden.

Schokolade wurde ursprünglich mit Kakao hergestellt. Mit der Zeit wurde etwas hergestellt, das der Schokolade ähnlich ist, auch so genannt wird, aber kein Kakao enthält. Die Differenzierung liegt vor, aber es wird weiterhin ein Wort gebraucht.

Koffein kann im Kaffee zum Verschwinden gebracht werden. Danach gibt es die zwei Kaffee-Sorten.

Immateriell gedachte Differenzierungen

Ein Spezialfall der Differenzierung liegt bei der gedachten Hinzufügung von Eigenschaften zu einer immateriellen Sache oder bei einer Entnahme von Eigenschaften vor.

Beim Anthropomorphismus werden anderen Wesen menschliche Ähnlichkeiten zugeschrieben.

https://de.wikipedia.org/wiki/Anthropomorphismus unten:

Beim allgemeineren Anti-Anthropomorphismus werden gar keine menschlichen Begrifflichkeiten erlaubt. Siehe selben Link unten:

"Die beiden gegensätzlichen Extrempositionen wurden mit den arabischen Begriffen taschbīh („Verähnlichung, Anthropomorphismus“) und taʿtīl („Entleerung der Gottesidee von jeglichem mit menschlicher Begrifflichkeit beschreibbaren Inhalt) bezeichnet.

Mit Abstraktion, ceteris-paribus wird geregelt, was nicht gedacht werden soll, in der Folge einer Beschreibung, oder allgemein.

Wenn nun ziemlich viel von einer Sache abgezogen gedacht wird, dann kann wiederum das eine oder andere später wieder hinzu gedacht werden. Nicht nur in der Ökonomik ist das der Fall. Das Vorgehen des Condillac war auch so, und das Vorgehen mit dem leeren Tisch (tabula rasa) ebenso, sogar das Vorgehen mit der schwarzen Kiste (black box).

Einfach gedacht: Es gibt einen Zugang zu einer neuen Sache, und zwar indem nur die Sache selbst gedacht wird, alle persönlichen Gedanken gehören von vornherein nicht dazu, beim Zugang zur Sache dürfen sie nicht benutzt werden.

Sogar Gurus schreiben dieses Vorgehen vor. Das Vorgehen kann sich sogar auf die Person ausweiten, etwa wenn Waschungen der Person vorgenommen werden, oder wenn sie dies und jenes nicht zu sich nehmen darf.

Beim Zugang zu Texten soll nur der Text beachtet werden, nicht einmal soll als erstes gedacht werden, was der Autor des Textes denn dachte. Dieses ist eine Norm beim Zugang zu Texten. Hierbei soll nur das gedacht werden, das der Text zu denken gibt, und nicht das, was der Textschreibende sagen wollte. Dies ist ein Thema der Hermeneutik.

Bei der Zeugenvernahme vor Gericht soll der Zeuge auch nur das sagen, was er in Erinnerung hat, er darf nichts hinzu fügen. Er darf auch nichts auslassen.

Immanuel Kant nahm einem Objekt alle Eigenschaften weg, und kam so zu seinem Ding an sich, das nur noch den Raum einnahm, in dem es sich befand.

Wenn eine Person unsicher ist, ob es eine immaterielle Sache überhaupt gibt, kann sie Gedankenexperimente versuchen. Sie kann von der Sache Eigenschaften wegnehmen, bis diese geläuterte Sache in ihrem Denken ist, und auf diese Weise besser beschrieben werden kann.

Exkurs:

Die Methode des Aristoteles, zum Wesen einer Sache zu gelangen, indem sie noch kräftiger gedacht wird, als sie schon ist, kann nicht als Differenzierung bezeichnet werden. Hier soll bei Wärme an etwas gedacht werden, das wärmer als Wärme ist. So ähnlich wäre es, wenn Sinn so gedacht werden soll, dass dieser einen höheren Sinn ergeben sollte, allein durch allgemeineres Denken.

Doch nun zurück zu Beispielen mit dem Wort Sinn.

A: Sinn hat ein Leben, bei dem es der Person und ihrer Familie gut geht, wenn sie zu essen hat, und keine Schmerzen hat.

B: Sinn hat eine Sache, die Bestand hat, gegenüber einer Eintagssache.

C: Sinn hat eine Sache, wenn sie zu einer anderen Sache führt, die einen Sinn hat.

D: Wo Schmerz ist, gibt es keinen Sinn.

E: Ihr habt alle gut gedacht, nun zieht mal bitte alles was euren Wünschen, Trieben, eurem Willen entspricht, ab. Was bleibt dann?

F: Ich tue so wie Aristoteles es tat. Vom kleinen Sinn komme ich zum großen Sinn.

G: Sinn kann nur etwas Subjektives sein.

H: Ich kann leider keine Sätze mit dem Wort Sinn herstellen, in denen ein großer Sinn, wie F schrieb, vorkommt.

I: Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in der physischen Welt einen anthropomorph definierten Sinn gibt. Alle biologischen Wesen jedoch einzeln oder zusammen geben einen Sinn zu denken. Weil die biologische Welt nichts anderes ist als ein Auswuchs der physischen Welt, habe ich keine Lösung des sich so ergebenden Paradoxes.

Hier folgt ein Gedankenexperiment

Als Betrachter ist es fiktiv möglich, dass die betrachtete Person zu einem Moment ein erstes Mal das Wort Sinn hört. Es ist denkbar, dass alle Sätze, die Wörter enthalten, zu denen das Lemma "Sinn" gesagt werden kann, aufgeschrieben werden. Nun würden diese Sätze sortiert, die Auftretenszahl je Satz würde notiert werden. Im nachhinein könnte festgestellt werden, wo die Wörter gelernt wurden, dh. was dann mit dem Wort verbunden wurde, etwa externe Sachen und/oder andere Wörter. Der Zeitpunkt könnte irgendwann gefunden werden, an dem die Person begann, mit den Wörtern zum Lemma selbst Sätze machte, und das eventuell bis zum Ende ihres Lebens. Die gesagten Sätze könnten dann auch noch anders geprüft werden, nämlich nach dem Kriterium: Gab es diese Sätze schon in der Lernphase. Gibt es zusätzlich eine Erfinderphase. Und gibt es ein Ende der Erfinderphase, bei der die erfundenen Sätze nur noch wiederholt werden?

Danach könnte der Betrachter viele interessante Frage stellen, etwa ob in der Lernphase das Wort mit einer anderen Sache verbunden wurde oder nicht. Und dann die Frage, ob in der Erfinderphase nur Sätze zufällig probiert und dann mit Kriterien geprüft wurden und behalten wurde. Und die Frage, ob sich Sätze in der Zeit festigten.

Danach könnte, wenn eine Person keine neuen Sätze in ihrem Leben erfunden hätte, nicht gesagt werden: Sinn ist eine kulturelle Sache. Das könnte eventuell für eine Gruppe von Personen gesagt werden, die interagiert.

Es könnte auch nicht gesagt werden: Sinn ist eine geschichtliche Sache, wenn diese sich nicht in der Geschichte ändert.

Das Prinzip dieses Gedankenexperiments hat übrigens wahrscheinlich als erste Helen Keller (1880-1868) in einfacher Form vorgeschlagen, dessen Tragweite wurde nicht erkannt. Es gehört zur Sprachphilosophie, wenn nicht sogar zum „linguistic turn“.

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