Meinungsaustausch

 

Inhaltsverzeichnis:

 

Vorwort
Theorie des Meinungsaustauschs, Gleichwertigkeit der Meinungen
Der Austausch von Meinungen beginnt
Spannung zwischen Wahrheit und Meinung
Der Meinungsaustausch geht weiter: Streit oder mystisches Verhüllen
Wissensvortrag unerwünscht
Lernen unerwünscht
Themen beim Meinungsaustausch
Kritik des Meinungsaustauschs
Meinungserklärung
Meinungsreduktionismus
Das Problem des Geistes in der Maschine

 

Vorwort

Wen das Wort "Subjekt" in diesem Text stört, ersetze es einfach durch das Wort "Person".

 

Hier werden die negativen Seiten des Meinungsaustauschs gezeigt, wodurch der Eindruck entstehen könnte, er wäre etwas Verachtenswertes.

 

Ich stelle dieses Wort in den Zusammenhang seiner umgebenden Theorie. Diese Theorie nenne ich dann Theorie des Meinungsaustauschs oder bezeichne sie als Meinungssystem.

 

Es wird keine Lösung der Probleme der Theorie versucht, so daß der Text selbst negativ ist. Was ein gutes Gespräch ist, wird also nicht beschrieben.

 

Theorie des Meinungsaustauschs, Gleichwertigkeit der Meinungen

Das Wort Meinungsaustausch soll stehen für die im Umgangswissen entstandene Theorie, die so oft beim Gespräch wirkt. Es dürfte bekannt sein, daß so manche Theorie im Umgangswissen entsteht und dem Benutzer der Sprache sozusagen zur Verfügung steht. Die Theorie des Meinungsaustauschs ist mit anderen Theorien nicht kompatibel, wie z.B. mit sogenannten Wahrheitstheorien. Meinung, Wahrheit, Wissen können nicht aufeinander zurückgeführt werden.

 

Die Theorie soll hier in ihrer reinen Form dargelegt werden. In ihr haben die Subjekte eine Menge Ausdrücke, die sie vortragen können. Diese Menge ist je nach Subjekt verschieden. Sie wird als Meinung gedacht. Das Subjekt denkt sie zu haben, es glaubt ihr nahe zu stehen. So hat jedes Subjekt eine Meinung.

 

Beim Prozeß der Meinungsbildung wählt das Subjekt zum Beispiel eine Menge Wörter und Sätze aus dem Pool des Umgangswissens aus, und ist anschließend fähig, diese als seine Meinung zu äußern. Oder es eignet sich diese Menge Wörter, Sätze oder Geschichten auf eine andere Art und Weise an.

 

Diese Theorie beruft sich oft auf Demokratie und Pluralismus. Denn in einer Demokratie hat jeder das Recht, seine Meinung zu äußern, egal wie speziell sie auch ist.

 

Mit Blick auf die Demokratie denkt also jeder, er habe vor dem anderen das Recht, seine Meinung vorzutragen, der andere ist also fast gezwungen, zuzuhören, egal zu welchem Thema es auch ist. Auch kann die Lautstärke des Gesprächs Hand in Hand gehen mit der Wichtigkeit der Meinung des Vortragenden. Und das Recht zur Meinungsäußerung, also zum Vortragen der Meinung, ist gegeben, auch wenn es um den größten Unsinn geht. Niemand kann sagen, er habe eine bessere Meinung als der andere, alle Meinungen sind gleichwertig. Aber mit dem Betonen, dem lauten und zeitraubenden Vortragen, ist das so eine Sache, denn all das ist ja erlaubt. Auch das gegebene Thema kann nicht so recht abgewehrt werden, wenn man sich voll an die Theorie hält. Dann werden auch keine gemeinsamen Ziele festgelegt, diese wären für die Anhänger dieser Theorie nur störend.

 

Die Theorie sieht sich bekanntlich für Meinungen zuständig, also für einen Teil dessen, was so zwischen Personen gesprochen wird. So wird angenommen, daß es neben ihr noch Bereiche des Wissens, der Wissenschaft, des Glaubens, der Kultur, des Lebens, der Religion, usw. gibt. Aber die Grenze zu diesen anderen Bereichen ist nicht so klar und streng, und sie kann sich ändern. Hier sehe ich von der Fragwürdigkeit dieser sonstigen Bereiche ab.

 

Der Austausch von Meinungen beginnt

Das Subjekt geht nun mit seiner Meinung zu anderen Subjekten und trägt sie vor. Und es hört sich die Meinung der anderen Subjekte an. Die eine Meinung stimmt mit der eigenen überein, die andere nicht, widerspricht der eigenen sogar. Manche Meinungen sind unbekannt. Dieses Vorgehen wird Meinungsaustausch genannt, obwohl eigentlich nichts ausgetauscht wird.

 

Je mehr ein Subjekt sich mit seiner Meinung verbunden sieht, was ja schon in der Theorie vorgegeben ist, um so eher wird es sich selbst angegriffen fühlen, wenn in seiner Meinung Unzulänglichkeiten, Unwahrheiten oder Widersprüche vorgezeigt werden. Die fremde Meinung wird mehr oder weniger wohlwollend zur Kenntnis genommen, und meist mit der eigenen verglichen.

 

Spannung zwischen Wahrheit und Meinung

Der Einzelne kann seine Meinung irgendwie als wahr erachten, zumindest vorläufig, und mit ihr sieht er sich eng verbunden. So eng, daß er sie wie ein Kind in Schutz nimmt, wenn sie in Frage gestellt wird. Aber er behauptet sie nicht als wahr, denn das würde gegen die Theorie des Meinungsaustauschs verstoßen. Und in dem Fall schützt er sich mit seiner Meinung, indem er äußert, es wäre nur seine Meinung und man könne ja auch eine andere haben. Dieser Abweg kann als eine Verdrängung angesehen werden, denn damit wertet der sich Äußernde seine Meinung ab, indem er sie keiner Begründung würdig erachtet und sie auch sonst nicht belegen will. Er will sich einfach äußern und bei dieser Äußerung stehen bleiben. Es ist das Ende eines sonst möglichen Fortschritts.

 

Wenn das Subjekt nun jemanden findet, der seine Äußerungen zu sehr hervorbringt, so sagt es, daß sie nur Meinungen sind, und daß er ja nicht die Wahrheit seiner Meinungen beanspruchen könne. Auf diese Weise ist die Meinung des anderen einfach wegdiskutiert. Es ist ein kleiner Themenwechsel ins Nichts.

 

So wie es beim Gespräch nicht um Wahrheitsfindung geht, so geht es bei der Demokratie auch nicht darum. Demokratie schlägt sich zwar als Entscheidungsmittel vor, ohne jedoch zu behaupten, ein Mittel zur Wahrheitsfindung zu sein. Demokratie setzt die Bereitschaft voraus, die Meinung anderer zu hören oder zumindest zu tolerieren, und umgekehrt scheint es, daß Subjekte ausgewogener werden, wenn sie andere Meinungen hören. So ist Meinungsaustausch ein Mittel der Sozialisierung des Einzelnen. Wenn auf diese Weise ein Mittelmaß, ein gemeinsamer Nenner gefunden wird, so liegt dieser möglicherweise zwischen Wahrheit und Unwahrheit. Und wer mit wahren Sätzen ankommt, muß sie als gleichwertig neben die falschen des anderen stellen, er wird keineswegs mit offenen Armen aufgenommen, sondern eher noch gerügt. Er wird nicht in seiner Suche gefördert, sondern gehindert. Er ist so wie der Beispielmensch bei Schopenhauer, dessen Uhr richtig geht, und der in der Gesellschaft nichts mit der richtigen Zeit anfangen kann, weil alle Uhren dort dieselbe falsche Zeit anzeigen.

 

Wenn mehrere Subjekte beieinander sind, könnte so wie in einer Demokratie der Anschein entstehen, es würde über etwas entschieden. Oder es könnte nach dem Vortrag der einzelnen Meinungen eine Art Synthese vorgenommen werden. Das ist wie ein Verschmieren der einzelnen Meinungen zu einem Einheitsbrei. Mit der Synthese ist jeder gezwungen, sich an den Durchschnitt der Meinungen anzupassen. Dies ist eine Aporie der Theorie, denn jeder soll ja eine ihm persönliche Meinung haben oder haben können.

 

Der Meinungsaustausch geht weiter: Streit oder mystisches Verhüllen

Beim Streit sagt der eine dem anderen erst richtig seine Meinung. Spätestens jetzt, im unangenehmen Streit könnte ihm das Licht aufgehen, daß etwas im System selbst schief ist, und hier die Ursache des Streits zu suchen ist. Aber nein, gemäß Theorie muß der Meinungsaustausch als Ideal des Gesprächs gelten, so wie auch Demokratie als politische Idealform gilt.

 

Die Meinung steht nicht zur Diskussion, sie wird allerhöchstens mitgeteilt. Wenn nun trotzdem Aufwärmung der Gemüter beim Zuhören der unterschiedlichen Meinungen entsteht, wird leicht dazu eine Erklärung abgegeben. Hierzu will ich das Wort "Meinungserklärung" verwenden. Es steht analog zum Wort Kriegserklärung, weil hier wie dort ein Verweis auf die Bereiche vor sich geht, über die die Kompetenz nicht hinausgehen darf. Bei der Kriegserklärung wird dem eventuell Stärkeren die Kompetenz zugesprochen, und jeder hofft, siegreich hervorzugehen. Bei der Meinungserklärung wird jeder auch in seine Schranken verwiesen, zum Beispiel indem gesagt wird, daß jede Meinung gleich viel wert ist.

 

Der Einzelne trägt also seine Meinung vor, betont sie, und wenn er das getan hat, kann er sich in mystisches Schweigen verhüllen. Er braucht nichts weiter zu erklären, er braucht sich nicht kritisieren zu lassen. Der andere soll mit der Meinung etwas anfangen oder auch nicht. Sie steht jedenfalls nicht zur Diskussion. Hier ist die Meinung etwas Endgültiges, Absolutes.

 

Da der friedliche Meinungsaustausch, bei dem es überhaupt nicht zu einer Erwärmung der Gemüter kommt, langweilig ist, gibt es Themen, die sich besonders gut für den streitenden Meinungsaustausch eignen. Es können Gespräche über Tagesthemen sein, Religion, Politik. Beliebt sind zum Beispiel auch Gespräche, bei denen der andere zu den Schuldigen gehört oder gehören könnte:

 

-         Eine Frau spricht bei Männern über Vergewaltigung.

-         Ein Afrikaner beklagt sich vor Weißen über die Greueltaten der Sklavenhalter.

-         Ein Ungläubiger beklagt sich vor Katholiken über die schrecklichen Taten ihrer Vorgänger.

-         Ein Parteigänger spricht über die Fehler der anderen Partei, insbesondere wenn sein Gesprächspartner dieser angehört.

 

Je beliebter die Themen für den einen sein können, um so unbeliebter sind sie möglicherweise für den anderen. Auch Gespräche über Religion sind beliebt, insbesondere wenn der angeblich Glaubende sich vor dem angeblich nicht Glaubenden produziert.

 

Wissensvortrag unerwünscht

Wissensvortrag ist jedenfalls unerwünscht beim Meinungsaustausch. Eine Haltung des Lehrens wird nicht erlaubt. Dadurch wäre ein Teilnehmer überlegen, und die Gleichberechtigung wäre in Gefahr. So kann der Lehrende gerügt werden. Jedes Verhalten, bei dem ein Gesprächspartner sich irgendwie in einer besseren Position glaubt, ist im Meinungsaustausch nicht erlaubt. Umgekehrt wird derjenige, der belehrt werden will, wenn er das wünscht, eventuell nicht belehrt, weil dazu die Zeit nicht vorhanden ist. Demjenigen, der Sachverhalte vorträgt, wird mitgeteilt, auch er vertrete nur seine Meinung, auch er habe nicht das letzte Wort. Denn Sachverhalte liegen viel weiter weg als Meinungen. Und niemand darf sich selbst näher an Sachverhalten wähnen als der andere.

 

Und einmal abgesehen davon, daß eine prinzipielle Opposition gegen den Wissensvortrag besteht, kann es doch auch den guten Wunsch geben, etwas hinzuzulernen. So werden dem Wissenden oder demjenigen, der nicht so recht verstanden wird, Fragen gestellt, so daß er geradezu zum Reden aufgefordert wird. Nachträglich wird ihm dann unterstellt, er wolle zu viel sprechen und lasse die anderen nicht zu Wort kommen, oder gar, daß er sich grundlegend von den anderen unterscheide. (Das ist eine Meta-Aussage.) Aber man tut so, als würde man nichts hinzulernen, auch wenn man es insgeheim doch manchmal tut.

 

Wenn also jemand hinzutritt, der mehr weiß, so wird er nicht partnerschaftlich behandelt. Eher noch wird das Thema gewechselt.

 

Lernen unerwünscht

 

Manche haben ständig das Selbstverständnis, daß sie reif sind, daß sie zwar noch hinzulernen, jedoch auf keinen Fall systematisch. Die Trennung von Schule und Leben nach der Schule ist für diese Subjekte eindeutig. Und wenn sie trotzdem länger bei einer Sache bleiben, so nicht weil sie dort wirklich hinzulernen wollen, sondern weil ihnen das Thema gerade im Kopf ist, oder weil es ihnen Spaß macht. Oft sagen sie auch, daß sie die Themen gerne haben, die mit den Sachen zu tun haben, die sie umgeben, das können Meinungen zu ihren Krankheiten, zu ihrem Besitz, zu ihrem beruflichen Fortschritt, zu ihrem Tourismus sein. So bringen sie Sätze hervor, die sie selbst ins Staunen versetzen. Sie stellen Fragen, auf die sie eigentlich keine Antwort wünschen. Und wenn sie eine Antwort bekommen, so geht diese so schnell verloren wie sie neue stellen.

 

Themen beim Meinungsaustausch

Bevor es zum Meinungsaustausch kommt, wird sondiert, welche Themen sich hierfür eignen. In diesen dürfen keine allzu großen Wissens- und Evolutionsunterschiede zwischen den Teilnehmern geben. Es ist so wie beim Beginn eines Gesprächs mit einem Mitfahrer im Zug, es geht darum, die Interessen und Themen herauszufinden, so daß das Gespräch mit diesen begonnen werden kann.

 

Kritik des Meinungsaustauschs

So liegt im Meinungsaustausch eine Aporie, ein irriges Ziel. Wer das nicht sieht, hat den ersten Schritt zur Redlichkeit nicht getan. Er kann dabei bleiben, seine Meinung vorzutragen, die Meinung der anderen anzuhören, die Richtigkeit seiner eigenen Meinung bestätigen zu lassen und am Ende wieder mit ihr nach Hause zu gehen. Beim Meinungsaustausch geht es nur darum, die Gedanken irgendwie loszuwerden. Die Gedanken des anderen können beurteilt werden, und es kann sogar über sie gelacht werden. Es ist von der Theorie des Meinungsaustauschs her nicht so recht möglich, wissender nach Hause zu gehen. Diese Möglichkeit ist aporetisch ausgeschlossen.

 

Wie sehr im Meinungssystem noch Sachen und Sachverhalte intelligent besprochen werden können ist fraglich. Je mehr es um die Auseinandersetzung mit Meinungen geht, um so weniger wird es um Sachen und Sachverhalte gehen können. So wie dieses System könnten analog dazu das Glaubenssystem, das Weltbildsystem, das Religionssystem, das System der Politik untersucht werden. Das Glaubenssystem würde statuieren, daß jeder einen anderen Glauben hat, oder auch keinen Glauben als Glauben. Solche Systeme mögen ihre Daseinsberechtigung aus Sätzen wie folgenden entnehmen: Jeder hat einen anderen Geschmack. Jeder hat allgemein eine andere Wichtung in seinen Sinnen, Erlebnissen, geistigen Fähigkeiten usw. (Homunkulus)

 

Auch ist jedwedes Verstehenssystem, wenn es um das Verstehen eines Subjekts, und nicht um Sachverhalte in einem Subjekt geht, analog zum Meinungssystem zu untersuchen. Auch Wörter wie "Verstehen" und "Kommunikation" sind keine Auswege aus der Aporie des Meinungsaustauschs.

 

Meinungserklärung

Wenn zwei Subjekte in ihrem Gespräch an einem Streitpunkt nicht mehr weiterkommen, so entsteht eine Art Opposition zwischen beiden. Hier versagt die Theorie des Meinungsaustauschs. Sie muß sich gewissermaßen transzendieren: der Einzelne erlaubt es sich, von oben herab über das Gespräch und den anderen zu urteilen. So stellt zum Beispiel der eine beim anderen schlechte Charaktereigenschaften fest und spricht diese aus:

 

du respektierst meine Meinung nicht, und allgemein auch nicht die der anderen

du verdirbst das Gespräch

du bist nicht fähig, ein Gespräch zu führen ohne zu streiten

 

Es ist wie eine moralische Lektion. Beispiele:

-         Otto glaubt, auf der Seite des Gefühls oder der Emotion zu sein und erklärt Karl, daß er keine Kompetenz hat, weil er zu sehr von seinem Verstand ausgeht, weil er zu cartesianisch denkt.

-         Otto sagt, er habe persönliche Gründe, das Gespräch zu beenden, und versperrt sich selbst und dem anderen den Weg, gemeinsam Sachen zu bedenken.

-         Otto sagt, Karl habe das Gespräch irgendwie verdorben und daß er dies immer tue.

 

Sollte nun doch einer mehr wissen als der andere, so wird eine wahre Aussage leicht auch als Nur-Meinung abgewertet, und der Aussagende wird darauf hingewiesen, daß die Meinung eines jeden genauso viel wert ist. Wer dies nicht annimmt, hat keinen Respekt vor dem anderen. Auch wird bei Streit leicht auf das Prinzip der Meinungsfreiheit, auf die Demokratie usw. verwiesen. So wird Meinung paradoxerweise gewollt oder ungewollt vor Wahrheit abgewertet als Nur-Meinung. Jedenfalls ist eine Meinung so viel wert wie die andere.

 

Meinungsreduktionismus

Diesem gemäß gibt es nur Meinungen, sonst nichts. Wer da sagt:

-         Im Winter ist es kalt.

-         Jetzt sehe ich die Sonne.

-         Eins und eins macht zwei.

-         Ich denke an meine Zukunft.

bekommt die Antwort: Das ist alles nur deine Meinung.

 

So gibt es keine Wahrheit mehr, keine Empfindungen, usw. Alles wird als Meinung uminterpretiert.

 

Und Meinungen sind wichtiger als alles andere. Deswegen gebührt jeder Meinung eine besondere Achtung, eine Art Respekt, ganz gleich wie eigenwillig sie ist.

 

Das Problem des Geistes in der Maschine (Ryle)

 

Dieses Problem liegt immer dann vor, wenn das Subjekt meint, es transzendiere sich selbst, oder wenn es Sätze sagt, in denen der Eindruck entsteht, es wäre aus zwei Teilen zusammengesetzt: "Ich denke, ich will, ich stehe vor dem Problem..." Viele glauben, sie seien Herr über Gedanken, vergleichbar mit Werkzeugen, die sie in die Hand nehmen. Sie glauben

-         selbst ein Ich zu sein, und 

-         die Gedanken zu haben und zu organisieren.

 

Diese Art Zweiteilung ist in der Sprache gesellschaftsfähig, über das Schizophrene daran wird gerne hinweggesehen. Das Subjekt sagt zum Beispiel, daß es sich entscheidet, daß es dies oder jenes beschließt, so als würde es über sich stehen. Wenn ein Computer den Satz von sich geben würde, er beschreibe sich selbst, so würden tausend Gründe angeführt, warum das nicht so sein kann. Wenn ein Subjekt denselben Satz sagt, so wird derjenige angegriffen, der das nicht versteht.

 

Einerseits wird dieses Subjekt als fest angesehen und will auch so angenommen werden. Es will nicht anders werden. Andererseits will es gerade mit seinen Meinungen angenommen werden. Und diese glaubt das Subjekt ja im Griff zu haben, so daß sich auch diese Meinungen unter den gegebenen Voraussetzungen eigentlich nicht ändern dürften.

 

Insbesondere unter der Annahme des Meinungsaustauschs sind Probleme wie sie hier beschrieben wurden offensichtlich. Aber diese Probleme und Aporien sind nicht auf den Meinungsaustausch beschränkt.

 

(27.6.2002)

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zum nächsten Text: Grenzen (grenze.htm). Dort wird gefragt, wie wichtig Grenzen sind, und wie Raumgrenzen ständig mitgedacht werden.

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zur Übersicht: www.weltordnung.de

© Joseph Hipp